Vor rund 18 Monaten habe ich in meinem Blog berichtet, dass ich nach jahrzehntelangem Fotografieren mit diversen analogen und digitalen Spiegelreflexkameras auf eine spiegellose Systemkamera gewechselt habe. Nicht nur habe ich damit einen Technologiesprung gemacht, sondern auch gleichzeitig einen Wechsel der Sensorgrösse vollzogen. Mit dem Wechsel von Nikon Vollformat-DSLR auf Fujifilm APS-C DSLM bekam ich zum Teil ungläubiges Feedback, dass dies doch ein Downgrade sei. Vollformat sei doch für Profis und alles andere für Amateure.
Im heutigen Blog gebe ich dir ungefiltert meine Erfahrungen und mein Feedback zu dieser drastischen Umstellung.
Heute vor 18 Monaten – mein Systemwechsel geht über die Bühne
Die Entwicklung des Fotografie Equipments in den letzten Jahren schritt sehr schnell voran. So stellte sich auch für mich schon länger die Frage, wie mein Equipment in der Zukunft aussehen wird und ob ich überhaupt von Spiegelreflex auf Spiegellos wechseln soll.
Mit meiner Erfahrung aus dem Fotografie-Coaching, der Equipment Beratung und dem Ziel zukünftig auch vermehrt Funktionen im Videobereich zu nutzen fiel die Entscheidung einen Systemwechsel anzugehen.
So habe ich meine beiden Nikon DSLR D850 und D750 mit 5 Objektiven ersetzt durch eine neue Fujifilm X-H2, eine gebrauchte Fujifilm X-T4 und 4 Objektive. Ein Objektiv weniger, obwohl ich den gleichen Brennweitenbereich wie zuvor abdecken konnte.
Gründe für die damalige Entscheidung zugunsten von APS-C
Das Fujifilm-System ist ein System mit APS-C Sensor. Dies im Gegensatz zu einem Vollformatsensor, wie sie von Nikon, Sony oder Canon verbaut werden. Zwar bieten diese Hersteller auch APS-C Kameras an, doch sind die Kameras in der Produktlinie eher ein Lückenfüller. Mit Ausnahme von Sony ist das APS-C Objektivangebot zudem bei Nikon und Canon nicht der Rede wert.
Der Preis
Überschlagsmässig käme für mich ein Vollformat DSLM Ersatz auf den doppelten Preis wie ein APS-C DSLM System!
Die Grösse
Je kleiner der Kamerasensor, desto kompakter kann auch die Kamera und die Objektive gebaut werden.
Das Gewicht
Je kompakter Kamera und Objektive sind, desto eher sinkt auch das Gewicht der einzelnen Komponenten. Gutes f/2.8 Glas ist auch hier schwerer als weniger lichtstarke Objektive. Doch ist so ein System auf Grund des Formfaktors leichter. Ein Vergleich mit einem Vollformat DSLM spart auch ein paar Gramm ein, doch ist der Vorteil klar auf APS-C Seite.
Hier mal eine grobe Überschlagsrechnung um meine Kamera- und Brennweitenanforderungen abzudecken. Sprich 2 Kameragehäuse und Zoom-Brennweiten von 24mm bis ca. 500mm inklusive einem Festbrennweiten-Makroobjektiv:
- Nikon DSLR Vollformat Ausrüstung = 7’700 Gramm
- Nikon DSLM Vollformat Ausrüstung – 6’500 Gramm
- Fujifilm DSLM APS-C Ausrüstung – 3’500 Gramm
Dies sind zu Beginn erstmal die offensichtlichen Gründen anhand der Katalogdaten. Daher hatte ich mich konkret mit der APS-C Welt auseinandergesetzt und mich nach Tests schlussendlich für das Fujifilm System entschieden. Herzlichen Dank an dieser Stelle auch noch an Edgar Wuffli von „Wuffli Foto Video“ in Chur für die Testmöglichkeit des neuen Systems.
Die Erfahrungen mit dem neuen System
Ein neues System bedeutet stets sich mit der herstellereigenen Bedienphilosophie auseinanderzusetzen. Speziell gilt dies für die heutzutage umfangreichen Menuesysteme und ebenso für die Funktionsweise der oftmals speziellen Autofokusmodi.
Nach einem gezielten Durchgehen durch jeden einzelnen Menuepunkt dauerte es dann doch rund 2 Wochen, bis ich mit der neuen Kamera Fujifilm X-H2 einigermassen vertraut war. Nicht, dass dies schwierig war, es war einfach etwas anders als bisher gewohnt.
In dieser Eingewöhnungszeit habe ich speziell folgende Aspekte ausgetestet und schätzen gelernt.
ISO Empfindlichkeit
Die ISO Empfindlichkeitseinstellung bei Nikon verursacht bei vielen meiner Kunden stets Probleme. Ein ISO-Knopf und das vordere Einstellrad um die Automatik ein- oder auszuschalten und das hintere Einstellrad um den ISO-Wert einzustellen. Hat man diesen Wert beim manuellen Fotografieren geändert und schaltet die Automatik wieder ein, so hat man automatisch den Minimumwert verändert. Plötzlich fotografiert man mit der ISO-Automatik alle Bilder mit beispielsweise ISO 1’600, obwohl dies eine Einstellung beim manuellen fotografieren war. Nun kommt die grosse positive Überraschung: Bei der Fujifilm X-H2 gibt es eine einzelne Liste mit ISO-Werten und sage und schreibe 3 ISO-Automatiken, die man im Menue parametrieren kann. Ein versehentliches Verändern des Minimumwerts ist so nicht möglich. Zudem ist die Möglichkeit von 3 ISO-Automatiken extrem hilfreich. Automatik #1 habe ich mit Maximum 1’600. Automatik #2 mit Maximum 3’200 und Automatik #3 mit dem höchstmöglichen Wert gesetzt.
Benutzersettings
Die Fujifilm X-H2 bietet gesamthaft sieben verschiedene Benutzersettings, die über das Menue für Foto oder Video parametriert werden können. Noch nie konnte ich mit einem einzigen Klick meine Kamera auf komplett andere Fotografie-Situationen einstellen. Bei der Nikon D850 und auch bei einer Z8 gibt es dies so nicht! Notabene Kameras, die doppelt so teuer sind! Die Benutzersettings brauchten etwas Zeit zum Reifen, doch heute sind sie sehr stabil und geben mir viel Zeit um mich um die anderen Aspekte wie Bildkomposition zu kümmern.
Autofokus
Mit den Autofokusmodi musste ich sehr vieles ausprobieren und den besten Weg für meine Anwendungsfälle finden. Herkommend von einer Spiegelreflex sind die Möglichkeiten und die Qualität recht unterschiedlich. Für Makro habe ich den Einzelpunkt-Autofokus mit der zweit kleinsten Grösse des Fokusfelds als ideal gefunden. Für Wildlife den Zonenautofokus kleinster Grösse in Verbindung mit der Objekterkennung. Zum Teil sind dies Dinge, die ich so früher nicht hatte. Anfangs war die Trefferquote des Autofokus etwas frustrierend. Dies hat sich mit Firmwareupdates sehr positiv verbessert und heute kann ich sagen, dass die Autofokusperformance eher besser ist als bei der alten Spiegelreflex.
Der Mythos mit der Bildqualität
Im Hinblick auf die Bildqualität und das Rauschverhalten lässt sich nicht wirklich ein Unterschied erkennen zwischen dem Vollformat-Sensor der Nikon D850 mit 45 MP und dem APS-C Sensor der Fuji X-H2 mit 40 MP. Wenn es Unterschiede gibt, dann zu gleichgrossen Sensoren mit geringerer Megapixel-Dichte. So sind die 24 bis 26 MP Sensoren stets minim besser beim Rauschverhalten als die höherauflösenden bei gleicher Sensorkategorie.
Die Bildqualität bietet so viel Dynamikumfang, dass in der digitalen Dunkelkammer mit beiden Systemen vergleichbare Resultate erzielt werden können. Wenn ich nicht wüsste, mit welcher Kamera ein Bild aufgenommen wurde, könnte ich nur raten.
Obwohl der ISO Wert beim APS-C Bild um einiges höher ist, wirkt das Vollformat-Bild mit tiefem ISO-Wert nicht klarer.
Der Mythos mit der Schärfentiefe
Bei einer Vollformatkamera kann man viel mehr freistellen! Eine Aussage, die ich immer wieder höre. Stets erkläre ich meinen Coachees, dass man wissen muss, wie man die Schärfentiefe beeinflussen kann. Hat man dies verstanden, dann sind absolut vergleichbare „Looks“ Tatsache. Der Unterschied liegt schlussendlich nur noch in der Qualität des Objektivs und der Optik.
Nun wie ist das mit der Schärfentiefe? Es gibt drei Werte, die die Schärfentiefe beeinflussen:
- Die Brennweite
- Die Blende
- Der Abstand zum Motiv und vom Motiv zum Hintergrund
Fotografierst du bisher mit einer Vollformatkamera mit einem Objektiv mit einer Brennweite von 55 mm bei Blende f/2, dann musst du bei APS-C mit einer Brennweite von ca. 36 mm und Blende f/1.3 fotografieren. Dann erzielst du die gleiche Schärfentiefe. Klar braucht es somit eher etwas lichtstärkere Objektive, doch aufgrund der geringeren Grösse des Sensors sind solche APS-C Objektive nicht so massiv schwerer, grösser und teurer als die Vollformat Äquivalente.
Das ist reine Mathematik und ich habe dir hier noch zwei Beispiele mit dem Schärfentieferechner von Photo Pills berechnet.
Quelle: https://www.photopills.com/calculators/dof
Und was, wenn du kein lichtstärkeres Objektiv kaufen willst? Nun da wird es noch einfacher. Wie oben beschrieben kommt es neben Brennweite und Blendenöffnung auf den Abstand an. Jetzt kommt der Trick: Gehe näher an das Motiv. Wieviel näher willst du wissen? Beim Abstand in obigem Beispiel mit 2 Metern sind dies sage und schreibe nur 40 cm weniger. Bei der äquivalenten Brennweite von 36mm und gleichbleibender Blende von f/2 ist die Schärfentiefe bereits bei 1.6 Metern gleich gross wie beim Vollformat mit 2 Metern Abstand!
Schlussplädoyer
Wie zufrieden bin nun mit dem Systemwechsel, den ich vollzogen habe? Gleich vorweg, ich bereue ihn keine Sekunde. Es zeigt sich, dass sich heutige Kameras, speziell mit den beiden besprochenen Sensorgrössen technisch nicht viel schenken. Letztendlich ist es eine Vorliebe dafür, wie einem die jeweilige Kamera in der Hand liegt, wie schwer und wie teuer sie sein darf.
Für mich persönlich wäre ein modernes Vollformat-System doppelt so teuer gekommen, wie das moderne APS-C System. Zudem ist die Gewichtersparnis und die geringere Grösse für mich mehr und mehr wichtig.
Schlussallerletzt bin ich mit dem APS-C System nun näher an meinen Kunden, von denen viele auf kleinere Systeme setzen. Wenn man weiss, wie man den Vollformat-Look im Hinblick auf die Schärfentiefe erreichen kann, dann braucht es gar nicht MEHR Kamera!
Verwandte Links
Hier findest du die wichtigsten Links des Beitrags:
Link zu Photo Pills – Schärfentiefeberechnung
Link zu Wufli Foto Video in Chur
Link zu Youtube-Video zum Thema Schärfentiefe mit verschiedenen Sensorgrössen (auf Englisch)