Ein grosser Wunsch fast all meiner Fotografie-Lehrlinge ist es, Motive vor einem verschwommenen Hintergrund zu fotografieren. Die kreative Wirkung durch das Isolieren des Hauptmotivs vom Hintergrund verstehen alle. Doch wissen nur wenige, wie sie so einen Effekt bewusst erzeugen können.
Im heutigen Blog gebe ich dir Tipps, wie du diesen Effekt erzeugen kannst und was du, je nach der Sensorgrösse deiner Kamera, für Anpassungen vornehmen musst.
Die Tiefe der Schärfe – Schärfentiefe oder Tiefenschärfe?
Die Schärfentiefe ist das Mass für die Ausdehnung des scharfen Bereichs in einem Foto. Wenn das Hauptmotiv scharf, der Vorder- oder Hintergrund hingegen unscharf ist, hat das Foto eine geringe Schärfentiefe. Wenn der Grossteil des Bildes, inklusive des Vorder- und Hintergrunds, scharf ist, hat das Foto eine grosse Schärfentiefe.
Grundsätzlich existieren die zwei Begriffe, „Schärfentiefe“ und „Tiefenschärfe“. Sie werden synonym für die gleiche Bedeutung verwendet, nämlich die Ausdehnung des scharf abgebildeten Bereichs in einem Bild. Der korrekte, wissenschaftliche Begriff ist „Schärfentiefe“, während „Tiefenschärfe“ im umgangssprachlichen Bereich genauso häufig verwendet wird. Es gibt aber einen kleinen Unterschied.
Bei der Schärfentiefe geht es um die Tiefe der Schärfe. Wie tief, vom Fotograf zum Hintergrund, ist das Bild scharf. Bei dem Begriff Tiefenschärfe steht die Schärfe in der Tiefe im Mittelpunkt. Als Fotograf wollen wir die Ausdehnung, also die Tiefe der Schärfe beeinflussen und nicht die Schärfe in der Tiefe. Daher ist Schärfentiefe unser Begriff. wobei wir uns im Falle aller Zweifel auf den gebräuchlichen englischen Begriff „Depth of field“ kurz „Dof“ einigen können.
Geringe oder grosse Schärfentiefe – Was müssen wir wissen?
Blende
Die Blende ist ein kreativer Parameter im Belichtungsdreieck, wenn es darum geht, die Schärfentiefe zu kontrollieren. Sie beeinflusst den Lichtdurchfluss des Objektivs deiner Kamera und schränkt so den Lichtstrom ein, der auf den Sensor fällt. Eine weit geöffnete Blende (kleine Blendenzahl wie f/1.4) erzeugt eine geringe Schärfentiefe, die das Hauptmotiv schärfer betont, während der Hintergrund in Unschärfe verschwimmt.
Andererseits bewirkt eine kleine Blendenöffnung (große Blendenzahl wie f/16) durch einen reduzierten Lichteinlass eine grössere Schärfentiefe. Dies ist besonders nützlich, wenn du eine Landschaft aufnehmen und sowohl die Vorder- als auch die Hintergrundelemente scharf abbilden möchtest. Die Wahl der Blendenöffnung erlaubt es dir, die Stimmung und die kreative Wirkung deiner Aufnahme zu steuern.
Brennweite
Die Brennweite deines Objektivs beeinflusst nicht nur, wie nah du an dein Motiv heranzoomen kannst, sondern auch die Schärfentiefe. Teleobjektive mit langer Brennweite reduzieren die Schärfentiefe, sodass dein Hauptmotiv scharf erscheint, während der Hintergrund verschwimmt. Dies ist geeignet, um Porträts eines Menschen oder einer Blume mit einem kreativ verschwommenem „Bokeh“ zu erstellen. Quasi der Filmlook!
Weitwinkelobjektive begünstigen eine grössere Schärfentiefe. Sie eignen sich sehr gut für Landschaftsfotografie, bei der du die Weite der Szenerie betonen möchtest und sowohl Vordergrund als auch Hintergrund scharf sein sollen.
Abstand zum Motiv und Hintergrund
Der Abstand zwischen deiner Kamera und dem Motiv spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Schärfentiefe. Je näher du dem Motiv kommst, desto geringer wird die Schärfentiefe. Wenn du zum Beispiel eine Blume in Nahaufnahme fotografierst, kannst du mit einer geringen Distanz zum Motiv eine geringe Schärfentiefe erzeugen, die einzelne Bestandteile betont und den Rest in eine sanfte Unschärfe taucht. Beachte dabei, dass der Hintergrund allerdings unschärfer wird, je mehr er vom Hauptmotiv entfernt ist. Es geht daher konkret um die Abstandrelation vom Fotograf zum Motiv und vom Motiv zum Hintergrund. Je grösser der Abstand vom Motiv zum Hintergrund in Relation des Motivs zum Fotografen ist, desto verschwommener wird er.
Unterschied der Bilder
In obigen Bildern ist mein Golden Retriever „Lenny“ gleich gross. Die Blende ist identisch f/5.6. Der Unterschied ist die Brennweite im ersten Bild mit 222 mm und im zweiten Bild mit 45 mm. Um die Grösse auszugleichen, musste ich im zweiten Bild näher an Lenny rangehen. Die Abstände sind grob geschätzt. Beim zweiten Bild mit der geringeren Brennweite von 45 mm ist der Hintergrund zwar auch verschwommen, doch nicht so deutlich wie beim Bild mit 222 mm.
Du siehst hier schon, dass du mit näherem Abstand das Motiv durchaus freistellen kannst, doch die längere Brennweite bringt mehr Unschärfe in der Tiefe.
Schärfentiefe berechnen
Die Schärfentiefe unterliegt keiner Magie. Man kann sie ganz einfach berechnen. Du brauchst hierzu lediglich die folgenden Informationen:
- Sensorgrösse deiner Kamera (respektive das Kameramodell)
- Brennweite
- Blende
- Abstand zum fokussierten Motiv
Im Internet gibt es viele Webseiten, auf denen du die obigen Parameter eingeben kannst und du erhältst die Berechnung der Schärfentiefe direkt angezeigt. Solche Webseiten bieten oft auch noch APP’s für das Smartphone an, die den gleichen Zweck erfüllen. So bist du draussen in der Natur gut gerüstet. Persönlich arbeite ich mit „PhotoPills“, die eine sehr übersichtliche grafische Darstellung erstellt. Einen Link zu diesem Anbieter findest du am Ende diesen Blogs.
Der Mythos mit der Sensorgrösse
An dieser Stelle greife ich noch auf einen Teil des Blogbeitrags „Mein Wechsel auf APS-C – Erfahrungsbericht nach 18 Monaten“ zurück. Ich verlinke den Blog noch am Ende des Blogs. Hier nun der kurze Auszug, der sehr gut zum Thema „Schärfentiefe“ passt.
Bei einer Vollformatkamera kann man viel mehr freistellen! Eine Aussage, die ich immer wieder höre. Stets erkläre ich meinen Coachees, dass man wissen muss, wie man die Schärfentiefe beeinflussen kann. Hat man dies verstanden, dann sind absolut vergleichbare „Looks“ möglich. Der Unterschied liegt schlussendlich nur noch in der Qualität des Objektivs und der Optik.
Nun wie ist das mit der Schärfentiefe? Es gibt drei Werte, die die Schärfentiefe beeinflussen:
- Die Brennweite
- Die Blende
- Der Abstand zum Motiv und vom Motiv zum Hintergrund
Fotografierst du bisher mit einer Vollformatkamera mit einem Objektiv mit einer Brennweite von 55 mm bei Blende f/2, dann musst du bei APS-C mit einer Brennweite von ca. 36 mm und Blende f/1.3 fotografieren. Dann erzielst du die gleiche Schärfentiefe. Klar braucht es somit eher etwas lichtstärkere Objektive, doch aufgrund der geringeren Grösse des Sensors sind solche APS-C Objektive nicht so schwer, gross und teuer wie die Vollformat Äquivalente.
Das ganze ist reine Mathematik und ich habe dir hier noch zwei Beispiele mit dem Schärfentiefenrechner von PhotoPills berechnet.
Und was, wenn du kein lichtstärkeres Objektiv kaufen willst? Nun da wird es noch einfacher. Wie oben beschrieben kommt es neben Brennweite und Blendenöffnung auf den Abstand an. Jetzt kommt der Trick: Gehe näher an das Motiv. Wieviel näher willst du wissen? Beim Abstand in obigem Beispiel mit 2 Metern sind dies sage und schreibe nur 40 cm weniger. Bei der äquivalenten Brennweite von 36mm und gleichbleibender Blende von f/2 ist die Schärfentiefe bereits bei 1.6 Metern gleich gross wie beim Vollformat mit 2 Metern Abstand!
Gefallen dir auch Bilder mit geringer Schärfentiefe?
Hast du selbst auch schon bewusst mit verschwommenem Hintergrund gespielt? Wenn die Resultate nicht so sind wie erwartet, dann beachte die erwähnten Elemente: Brennweite, Blende & Abstand zum Motiv.
Wenn du Hilfe brauchst und noch mehr Fotografie lernen willst, dann ich freue mich wie immer über deine Rückmeldung!
Verwandte Links
Hier findest du die wichtigsten Links des Beitrags:
Link zu Blog „Mein Wechsel auf APS-C“
Link zu Photo Pills – Schärfentiefeberechnung
Link zu Youtube-Video zum Thema Schärfentiefe mit verschiedenen Sensorgrössen (auf Englisch)